Eine einfache Frage!?

Gestern Nachmittag war im deutschen Privatfernsehen die Sendung „Auf und davon“ zu sehen. In diesem Format werden junge Menschen von einem Kamerateam begleitet und berichten von ihren Erfahrungen und Erlebnissen im Ausland.

Eine kurze Szene aus der gestrigen Sendung: Eine junge Frau geht für ein Praktikum nach Indien. Dort angekommen, bezieht sie ein Hotel. Da es aber nicht „westlichen Standards“ entspricht, wechselt sie noch in der Nacht in ein 5-Sterne-Hotel. Papas Kreditkarte macht es möglich. Das Ganze wird so präsentiert, dass sich die Zuschauer*innen wohl denken müssen: „Ja, also unter diesen Umständen kann wohl niemand schlafen. Das Hotel hätte ich auch gewechselt!“. Das bleibt natürlich Antizipation. Aber es ist zu vermuten, dass die junge Frau immerhin einige Zustimmung gefunden hat.

Szenenwechsel: Wir befinden uns auf dem Dach der Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg. Hier harren seit einiger Zeit Flüchtlinge aus, die das Gebäude besetzt haben. Vorher haben sie lange Zeit auf dem Oranienplatz in einem Protestcamp gelebt, weil sie keinen anderen Schlafplatz „westlichen Standards“ hatten. Sie mussten dort weg, denn die Kälte hat viele Menschen krank gemacht. Eine Unterbringung in Flüchtlingsheimen wurde ihnen erst nach Wochen des Protests vom Berliner Senat zugesichert. Außerdem wurde ihnen versprochen, ihre Verfahren zum Erhalt von Aufenthaltsrechten zu prüfen. Bislang blieb diese Prüfung aus. Vielen Flüchtlingen droht trotz des Senatsversprechens erneut ohne Prüfung die Abschiebung. Deshalb protestieren sie jetzt auf dem Dach der Schule. Für eine Behandlung nach Menschenrechts-Standards. Ohne Kreditkarte. Die Boulevardpresse spricht von „Anarchie“ und davon, dass die Flüchtlinge die Stadt „zum Narren“ halten würden.

Wie kann das sein?

Wie kommt es, dass die junge Frau in ein anderes Land gehen kann, sich dort ohne Weiteres aufhalten darf, ihre Unterkunft beanstanden kann und ihr in dieser Beanstandung zugesprochen wird, obgleich es sich hierbei um ein bewohnbares Zimmer handelte, das wahrscheinlich in einem besseren Zustand war als die meisten Zimmer in deutschen Flüchtlingsheimen? Wie kommt es, dass auf der anderen Seite Menschen die Lebensgrundlagen entzogen werden und dass wenn sie das beanstanden, sie der „Narrerei“ bezichtigt werden?

Was unterscheidet diese Menschen voneinander in ihrem Wunsch, ihr Leben nach ihren Wünschen und Bedürfnissen in Würde gestalten zu können?

Nichts!

Und doch: der Pass! Ein Dokument, welches mit dem Konstrukt der Nationalität verknüpft ist und der einen die Welt öffnet, den anderen die Welt verschließt. Ein Papier mit einem Foto, verbunden mit Privilegien. Die junge Frau darf im Besitz dieses Papiers in ein anderes Land, ohne Sprachtest, ohne Asylantrag, ohne Rechtfertigung. Vielleicht braucht sie ein Visum. Aber auch das bekommt sie ohne Weiteres. Die Flüchtlinge auf dem Berliner Dach dürfen nicht einfach so in einem anderen Land leben, nicht ohne Asylantrag und nicht ohne Integrationstest. Sie haben nicht das richtige Dokument!

Die Nationalität entscheidet. Sie ist nichts weiter als ein Eintrag auf der Geburtsurkunde. Eine Imagination! Und doch bestimmt sie die Möglichkeiten das eigene Leben zu gestalten.

Warum?

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