Cups for the Rich, Cops for the Poor – Netzschau vom 1. WM-Montag

Im WM-Diskurs schwappen bei den Leitmedien und Blogs nicht allein die Emotionen ob der „schrulligen“ Tore von Thomas Müller über, sondern beschäftigen sich auch mit dem Neben und Gegen der Fußballweltmeisterschaft, Nationalismus und der Eskalation im Irak. Eine kleine Netzschau vom 1. WM-Montag.

Die Publikative, ein Blog, der den Finger in die Wunden von Antisemitismus und Rassismus legt, veröffentlichte einen Auszug aus dem Buch „Der Präventivstaat“ von Gensing und Reisin, der sich mit der merkwürdigen „Du bist Deutschland“-Initiative auseinandersetzt. Die Botschaft, so die Autoren: „Das Individuum muss sich maximal vernünftig benehmen, ernähren und verhalten, um keine Kosten für die Sozialkassen zu produzieren. „Meckern” soll dagegen niemand mehr […]“. So produziert diese Kampagne ein nationales Selbstbild, das in Gleichmacherei der Eigenverantwortung endet. Ein guter Beitrag, der den medial oktroyierten Narrativ über „UNS Deutsche“, offenlegt.

Durch die Straßen rasen flaggenbehängte, hupende Autokorsos, wildfremde Menschen fallen sich in die Arme über einen Sieg, den sie sich und ihrer Nation zurechnen – und im Parlament wird die Abwesenheit von Abgeordneten und Journalist*innen, die lieber WM schauen, genutzt, um missliebige Gesetze durchzujubeln. Vielleicht sind Bundestagssitzungen nicht das spannendste TV-Programm, dennoch lohnt es sich, ab und an auch bei phoenix reinzuschauen, um zu beobachten, was dort im Augenwinkel der Öffentlichkeit durchgejagt wird. Zu Fällen während anderer Meisterschaften ein Beitrag des deutschlandfunks.

Cups for the Rich, Cops for the Poor – die Doku „Rio – Kampf um Frieden“ zeigt das Gebaren des brasilianischen Staats, um gegen die nicht-staatliche Herrschaft in den Favelas vorzugehen. Die Befriedung der Favelas ist seit 1960 Ziel der Regierung, doch gab die WM nun Anlass, rigider durchzugreifen (Dank an einen aufmerksamen fb-Leser für diesen Hinweis). Aktuelle und persönliche Berichterstattung aus der Favela, die als lesenswert empfohlen wird, bietet der Blog „Live aus der Favela“.

Im Irak eskaliert die Lage derweil rapide, es wird bereits von Kriegsverbrechen gesprochen, Freiwillige lassen sich rekrutieren, um gegen die Übernahme durch ISIS vorzugehen. John Bell hält die übertriebene Identifikation mit Gruppen für das Hauptproblem, das im Nahen Osten derzeit den Frieden stark bedroht. Gelehrt wird in diesen Gruppen, andere auszuschließen und abzuwerten, die nicht „so“ sind, wie sie selbst. So stehen sich im Irak nun die religiösen Gruppierungen gegenüber und versuchen, die Herrschaft über den Irak an sich zu reißen – Tod durch Identität droht, wie Bell schreibt.

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